Auf den ersten Blick scheint das wirklich ein praktisches Angebot zu sein: die Werkstatt, die meinen Wagen nach dem Unfall repariert, bietet auch den Unfallabwicklungsservice an. Der Unfall selbst war schon schrecklich und jetzt der Papierkram? Das soll mal ein anderer machen, denkt sich da mancher Geschädigte. Ein Rundum-sorglos-Paket: einmal beauftragt, alles drin!

Wirklich alles drin?

Bei aller scheinbaren Bequemlichkeit sollte der Kunde vorsichtig bleiben: Nicht jede Werkstatt oder Autohaus verfügt wirklich über die Kenntnisse, die zur ordentlichen Unfallabwicklung gehört. Eine Werkstatt kann gut Werkstatt, aber sie ist eben kein Anwalt mit der entsprechenden fachlichen Ausrichtung, der mit der gegnerischen Versicherung auf Augenhöhe verhandelt.

Eine Werkstatt oder ein Autohaus hat das vorrangige Ziel, dass die Entschädigungszahlungen für die Reparatur und einen etwaigen Mietwagen vom gegnerischen Haftpflichtversicherer direkt und nicht erst über den „Umweg“ über den Geschädigten oder dessen Anwalt fließt. D.h. das primäre Interesse der Werkstatt bezieht sich auf die der Werkstatt zustehenden Kosten für die eigentliche Reparatur und möglicherweise für die Mietwagenkosten. Und das möglichst schnell. Darüber hinaus dürfte hier kein Verfolgungsinteresse bestehen.

Die Unfallabwicklung beinhaltet aber durchaus weitere und zwar dem Geschädigten zustehende Schadensersatzpositionen. Die Versicherung wird diese nicht von sich aus anbieten und solange diese auch nicht leisten, bis diese abgerufen werden. Selbst dann wird eine Versicherung im Zweifel durch Kürzungen oder Ablehnung der Regulierung diese Positionen gekürzt oder eben überhaupt nicht zahlen. Die entsprechenden Sonderkenntnisse im Bereich der Schadenregulierung obliegen nur einem Anwalt, der in diesem Bereich schwerpunktmäßig tätig ist. Oder kann Ihnen Ihr Werkstattmensch erläutern was eine merkantile Wertminderung ist?

Ebenfalls zu den weiteren dem Geschädigten zustehenden Kosten gehört auch die Nutzungsausfallentschädigung für den Fall, dass kein Mietfahrzeug in Anspruch genommen wurde. Wurde indes ein Mietfahrzeug genutzt, kommt es regelmäßig mit der Versicherung zu Diskussionen über die Höhe der Mietkosten (Normaltarif oder Unfallersatztarif) und die Anmietdauer (sind 10 Tage angemessen? Was passiert im Fall einer längeren Reparaturzeit, Ersatzteile fehlen und ziehen die Reparaturzeit in die Länge?) bis hin zur Kostenerstattung für Restbenzin, allgemeine Kostenpauschalen, merkantile Wertminderung, etc. Gänzlich entzogen sein dürfte hier die Regulierung von Personenschäden durch die Werkstatt. Eine Reparaturwerkstatt verfügt eben nicht über Kenntnisse, um bei einem Personenschaden einen adäquaten Schmerzensgeldanspruch des verletzten Kraftfahrers zu berechnen oder gar durchzusetzen.

Der Geschädigte könnte auch auf die – von Seiten der Werkstatt durchaus gelegentlich unterstützten – Idee kommen, dass er nur eine Abtretung zu unterzeichnen brauche, um dann aller Sorgen enthoben zu sein. Das ist in der Praxis aber eher selten der Fall. Im Übrigen bewirkt eine solche Erklärung – je nach Formulierung, denn genau darauf kommt es an! – nur, dass der Werkstatt neben der Versicherung ein – zweiter Schuldner verschafft wird nämlich für die Reparaturrechnung. Dann kann es sein, dass sich trotz oder gerade wegen einer solchen Abtretung die Werkstatt beim Geschädigten meldet und die Zahlung der Rechnung verlangt. Das kann besonders bitter werden, wenn die Reparaturkosten eben doch höher ausfallen, als es z.B. im Sachverständigengutachten stand oder sich im Zuge der Reparatur ein Schaden erweitert, weil z.B. die beschädigte Windschutzscheibe zerbricht und nun vollständig getauscht werden muß (Stichwort: Werkstattrisiko). Spätestens in diesem Moment muß klar werden, daß man von Anfang an die Sache in fachliche Hände hätte geben sollen.

Ein Geschädigter sollte sich daher immer vor Augen halten: Ein Autohaus oder eine Werkstatt wird im Zweifel die eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgen. Oder würden Sie Ihren Arzt mit der Reparatur Ihres Autos beauftragen?

Autor: Rechtsanwältin Christiane Reuter-Wetzel