Eine Szene aus einem Amtsgericht, die auf beiden Seiten Kopfschütteln auslöste: „Wir sind hier nicht bei Barbara Salesch!“ dröhnte es vom Richtertisch. „Aber ich habe doch alles genau gesehen!“ erwidert der ältere Herr verzweifelt im Zeugenstand. Die erfahrenen Prozeßbeobachter wissen schon Bescheid, mit diesem Zeugen kann der Kläger einfach nicht gewinnen. Was war passiert: eine Auseinandersetzung zwischen zwei Menschen. Am Ende liegt einer am Boden und hat eine erhebliche Verletzung am Auge. In der Verhandlung geht es um Schuld und Schmerzensgeld. Der Verletzte zieht vor Gericht, ohne Anwalt, dafür mit einem Zeugen. Dieser stand in seinem Garten und meldete sich gleich eifrig bei dem Verletzten. Er habe alles ganz genau gesehen. Der andere habe Schuld, das könne er notfalls auch beschwören. Mit diesem Wissen wähnte sich der Kläger sicher und reichte Klage beim Amtsgericht ein. Die Sache ging dann aber nach hinten los, als dieser Zeuge vom Richter angehört wurde. Der Mann schilderte, daß er gerade am Holzhacken war, Brennholz für den Winter. Dann hörte er ein dumpfes Geräusch und sah genau, daß … und im Übrigen habe der Beklagte Schuld. Er habe das alles ganz genau gesehen. Da der Kläger keinen weiteren Zeugen hatte, ging die Sache verloren, die Klage wurde kostenpflichtig abgewiesen. Warum? Der Kläger hatte sich auf einen sog. „Knallzeugen“ eingelassen. Das sind solche Mitmenschen, die auf das eigentliche Ereignis – den Unfall, die Körperverletzung, den Mord – erst aufmerksam werden, wenn alles schon passiert ist. Die dann aber bekunden, alles bis ins Detail genau beobachtet zu haben, den Schuldbeweis liefern diese Zeugen in der Regel gleich mit. Tatsächlich können diese Zeugen über die eigentliche Täterschaft oder gar Schuld nichts sagen, da sie die eigentliche Situation eben nicht gesehen haben. Erst nach dem Ereignis wurden sie ja aufmerksam. Diese Aussagen sind allenfalls ein Indiz, aber kein Nachweis. Und im Zivilverfahren geht es um die sog. prozessuale Wahrheit, also darum, was kann der Kläger für seinen Anspruch vortragen und belegen. In diesem Fall konnte er eben nicht nachweisen, daß der Beklagte – sein Kontrahent – ihn so schwer verletzt hatte. Damit mußte der Prozeß verloren. Hier hätte es geholfen, wenn sich der Kläger zuvor mit einem Anwalt beraten hätte.
Es gibt auch noch den Zeugen vom „Hörensagen“. Um es gleich vorweg zu nehmen: auch diese Zeugen helfen dem Geschädigten wenig. Solche Zeugen können Angaben dazu machen, daß Meier dem Müller erzählt hat, daß der dies oder jenes gemacht habe. Diese Zeugen können also sagen, wer was zu wem gesagt hatte. Aber eigene Wahrnehmungen können diese Zeugen gerade nicht liefern. Aber genau darauf kommt es an. Auch hier liegt also allenfalls ein Indiz für eine bestimmte Tatsache vor, die aber einen sehr geringen Wert hat. Das lernen schon Kindergartenkinder, wenn sie „stille Post“ spielen.
Ganz spannend sind solche Zeugen, die bei Telefonaten mitgehört haben. Nicht selten werden hier Ehefrauen benannt, die bei entscheidenden Telefonaten mehr oder weniger zufällig im Hintergrund waren und den vollständigen Gesprächsinhalt – also Rede und Gegenrede – genau bestätigen können sollen. Tatsächlich ist es aber so, daß diese Mithörer meist nur das hören, was der Sprechende sagt. Die Antworten oder Reaktionen der Person auf der anderen Seite der Leitung können sie eben nicht direkt hören. Allenfalls anhand der Reaktionen „ihres“ Gesprächspartners vielleicht deuten. Aber selbst wenn hier – vermeintlich schlau – das Telefon auf Laut gestellt wurde, also heimlich der Lautsprecher eingeschaltet wurde, ist diese Aussage, was jetzt die Ehefrau von dem Gespräch mitgehört hat, nicht verwertbar. Denn ohne Zustimmung des Gesprächspartners zum Mithören ist die Verwertbarkeit solcher Aussagen zumindest fraglich.
Mancher Kläger meint schließlich, daß das Aufführen von vielen Zeugen ihm zum Sieg führen werde. Diese wundern sich dann, daß das Gericht von den 10 benannten, letztlich nur 1 oder 2 Zeugen zum Termin geladen hat. „Bei Barbara Salesch könne man doch schließlich auch einfach alle Zeugen mitbringen und die ist schließlich Fernsehrichterin“, heißt es dann. Ob und welcher Zeuge gehört werden soll, entscheidet das Gericht. Es werden nur die Zeugen gehört, von denen das Gericht glaubt, daß es auf ihre Aussage in dem Rechtsstreit ankommt.
Zeugen sind immer ein schwieriges, ein geradezu schwaches Beweismittel. Selbst wenn sie tatsächlich alles gesehen haben, können sie im entscheidenden Moment fatale Erinnerungslücken haben, wenn es gerade um Kleinigkeiten geht. Urkunden sind da immer die bessere Wahl. Daher sollte unbedingt im Vorfeld genau – möglicherweise mit Hilfe eines Anwalts – abgeklärt werden, wie die Beweissituation und welche Beweismittel tatsächlich vorhanden sind. Dann steigen auch die Chancen, eine Klage erfolgversprechend zu erheben.
Autor: Rechtsanwältin Christiane Reuter-Wetzel